Was versteht man unter einem Kolloid?

Bei einem Kolloid (von griechisch kolla „Leim“ und eidos „Form, Aussehen“) handelt es sich um ein System aus Clustern (Teilchen mit bis zu 50.000 Atomen) oder um kleine Festkörper (Teilchen mit > 50.000 Atomen), die innerhalb eines Mediums fein verteilt vorliegen. Die Teilchen dieser so genannten kolloid-dispersen Phase weisen in der Regel Größenordnungen von 1 bis 1000 nm in mindestens einer Dimension auf, das Medium selbst bezeichnet man als Dispersionsmedium. Der Bereich der Chemie, der sich mit Kolloiden befasst, ist die Kolloidchemie.

Definitionen und Formen

Sowohl die disperse Phase als auch das Dispersionsmedium können ein Feststoff, eine Flüssigkeit oder ein Gas sein. Je nach deren Kombination und einigen zusätzlichen Eigenschaften verwendet man verschiedene Begriffe für spezifische Formen von Kolloiden, wobei ein Großteil von ihnen älter ist als der des Kolloids selbst. Es handelt sich also um einen Sammelbegriff, der nur sehr unscharf in allgemeiner Form definiert werden kann. Eine starre Definition wäre aufgrund der Formenvielfalt aber auch wenig zielführend, was zur Folge hat, dass die Bezeichnung Kolloid einer – unter Umständen – recht großen Beliebigkeit unterliegt, oder zumindest so wahrgenommen wird. Ein Verständnis dafür, was ein Kolloid ausmacht, erreicht man daher in der Regel nur durch eine Anhäufung von Beispielen und die Betonung von deren spezifisch kolloidalen Eigenschaften.

Dispersionen von Stoffen in einem Gas, wie zum Beispiel bei Nebel, Dunst oder Rauch, bezeichnet man als Aerosole. Je nach Art des Stoffes unterscheidet man Aerosole flüssiger und fester Teilchen.

Eine weitere Gruppe bilden Dispersionen einer Flüssigkeit in einer anderen Flüssigkeit, insofern beide nicht miteinander mischbar sind. Beispiele für diese so genannten Emulsionen sind zahlreiche Kosmetika, Milch oder Majonäse. Handelt es sich um mehr als zwei Stoffe, also so genannte multiple Kolloide, spricht man analog von multiplen Emulsionen.

Demgegenüber bezeichnet man Dispersionen kleinster fester Teilchen in einer Flüssigkeit als Sol, kolloidale Lösung oder kolloidale Suspension. Hierzu zählen beispielsweise kolloidales Gold, kolloidales Silber, Schlamm, Farben und Lacke. Kolloidale Lösungen stehen zwischen echten Lösungen (molekulardispers) und Suspensionen (grob dispers). Ist dabei die Konzentration der dispersen Phase so hoch, dass keine bzw. nur eine sehr geringe Fließfähigkeit vorliegt, spricht man von einer Paste. Handelt es sich statt einzelner Partikel um langkettige Makromoleküle, wie zum Beispiel bei Gelee oder Leim, so bezeichnet man dies als Gel.

Grenzflächenaktive Substanzen (Tenside) aggregieren in einem Lösungsmittel, weshalb man das Resultat als Mizelle oder Assoziationskolloid bezeichnet. Bei Ausbildung geordneter Strukturen spricht man von Flüssigkristallen.

Milchquarz ist ein Beispiel für die Dispersion einer Flüssigkeit in einem Feststoff. Eine weitere Gruppe bilden Dispersionen von Feststoffen in Feststoffen (feste Dispersionen), zum Beispiel bei Opalglas, schwarzem Diamant oder gefärbten Kunststoffen. Handelt es sich bei der dispersen Phase um ein Gas, so spricht man von Schaum (Flüssigkeit) oder festem Schaum (Feststoff).

Auch eine Unterscheidung nach der Art der Verteilung ist möglich. Sind disperse Phase und Dispersionsmittel klar zu unterscheiden, handelt es sich um ein einfaches Kolloid. Bilden sie jedoch ineinander verschlungene Netzwerke, ohne eine klare Möglichkeit der Zuordnung, spricht man von Netzwerk-Kolloiden.

Die Größenordnung von Kolloiden ist unterschiedlich und kann zum Beispiel bei Emulsionen auch über der Grenze von 1000 nm liegen. Sie bezieht sich zudem nur auf mindestens eine Dimension, so dass man auch in der Struktur von Kolloiden differenzieren kann. Kaolinit ist ein Beispiel für ein sehr dünnplattiges Tonmineral und bildet daher auch ein kolloidales System. Dies gilt auch für faser- oder netzwerkartige Strukturen, die in zwei Raumrichtungen kolloidale Dimensionen aufweisen. Kolloide müssen daher nicht zwangsläufig aus einzelnen Partikeln bestehen. Etwas markanter ist die Untergrenze von etwa einem Nanometer, da es hier zu einem recht einheitlichen Übergang hin zu den Eigenschaften molekular-disperser Systeme kommt.

Nomenklatur

Disperse Systeme mit annähernd gleicher Teilchengröße werden als monodispers oder isodispers, solche mit unterschiedlicher Teilchengröße als polydispers bezeichnet.

Eigenschaften

Aufgrund ihrer im Verhältnis zum Volumen vergleichsweise sehr großen Grenzflächen spielen Effekte der Oberflächenchemie für Kolloide eine besondere Rolle. Kolloide weisen zudem in der Regel den Tyndall-Effekt auf.

Geschichte

Kolloide wurden schon von der Menschheit genutzt, als man noch keinerlei Kenntnis davon hatte, worum es sich wirklich handelt. Dennoch ist eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kolloiden erst in jüngster Zeit zu verzeichnen.

Bereits den Alchimisten waren Formen des kolloidalen Goldes bekannt und Pierre Joseph Macquer vermutete 1744, dass es sich hierbei um eine feine Verteilung des Goldes in einer Dispersion handeln könnte. Erste empirische Untersuchungen führte Selmi 1845 durch, 1856 folgten die Versuche Michael Faradays mit kolloidalem Gold. Das Wort Kolloid wurde dann 1861 durch Thomas Graham geprägt, der es jedoch für nur langsam durch poröse Membranen diffundierende Stoffe wie typischerweise Leime benutzte. Für ein tiefergehendes Verständnis fehlten jedoch lange Zeit sowohl theoretische Erkenntnisse zur Erklärung kolloidaler Eigenschaften, als auch die technischen Möglichkeiten einer gezielten Herstellung gut charakterisierbarer und vor allem in ihren spezifischen Eigenschaften reproduzierbarer Kolloide.

Eine kinetische Theorie für kolloidale Systeme wurde erstmals von Marian Smoluchowski geschaffen.

Die Chemie der Kolloide und ihre Eigenschaften wurden besonders von Richard Zsigmondy (Nobelpreis 1925) und seinen Mitarbeitern untersucht.

Bedeutung und Anwendungen

Altbewährt sind Rohrumhüllungen aus Zementmörtel (Kolloidalzement nach Hacheney, Untersuchungsbericht der Baubehörde Hamburg, Erfahrungsbericht).
Eine neue Anwendung finden Kolloide in den Kolloidosomen.
In Böden als kolloiddisperse Systeme sind vielfältige Übergänge vom Sol zum Gel (Koagulation, Flockung) und umgekehrt möglich (Peptisation). Ein Gel ist hier ein Aggregat, in der Kolloide in Flüssigkeitsschichten eingelagert sind. Sol ist ein Zustand schwebender Teilchen. Man bezeichnet Tonverbindungen als Hydrophobe Kolloide, hingegen Huminstoffe als Hydrophile Kolloide.

Literatur zum Thema

Wolfgang Ostwald: Die Welt der vernachlässigten Dimensionen (1914)
Thilo Hoffmann: Kolloide: Die Welt der vernachlässigten Dimensionen. Chemie in unserer Zeit 38(1), S. 24 – 35 (2004), ISSN 0009-2851
Douglas H. Everett: Grundzüge der Kolloidwissenschaften. Steinkopf Verlag Darmstadt 1992. ISBN 3-7985-0871-2

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